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Wenn Türen sich öffnen...

Portrait Theresa Erben

  1. Portrait Theresa Erben

Wenn Türen sich öffnen... 

 

Von schicksalhaften Praktikumsstellen und weiteren Glücksfällen. 

Vom facettenreichem Arbeitsalltag einer selbstständigen Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin und ihren Sternstunden aus der Therapie. 

 

Theresa Erben hat 2016 eine eigene Praxis gegründet: das Stimm- und Sprachzentrum Berlin. Ihre Praxis befindet sich in einem Ärztehaus und liegt Tür an Tür zu einer HNO-Praxis, sodass sie regelmäßig hinübergehen, sich fachlich austauschen und sich die Laryngoskopie-Aufnahmen ihrer Patient:innen anschauen kann. 

Augen auf bei der Praktikumswahl und Ohren auf danach... 

Wie Theresa Erben zu ihrer Selbstständigkeit kam, ist eine kuriose Geschichte und ein anschauliches Beispiel für diese ungeahnten Türen, die einem das Leben manchmal öffnet und uns einlädt, einfach hindurchzugehen und an der Herausforderung zu wachsen. Bei Theresa öffneten sich sogar gleich zwei: Direkt nach der Ausbildung war sie mit jugendlichen 23 Jahren zunächst in Berlin-Zehlendorf bei der Logopädin ihres Opas angestellt, der wegen Aphasie in Therapie war. „Sie wollte die Praxis abgeben und hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die Praxis zu übernehmen. Ich wurde von ihr eingearbeitet und habe mich sehr wohl gefühlt. Aber es war ein sehr weiter Arbeitsweg.“  

„Parallel war mein Vater Patient bei einem Phoniater, bei dem ich Praktikum gemacht hatte. Mit ihm habe ich mich sehr gut verstanden. Er fragte meinen Vater, wann ich mit der Ausbildung fertig sei, da er damals eine neue HNO-Praxis in Pankow aufmachen wolle. Er könne sich vorstellen, mit mir zusammenzuarbeiten und schlug vor, ob ich mich nicht in die Räumlichkeiten einmieten wolle. Ich war erst 24, aber das war natürlich eine tolle Chance – und der Arbeitsweg kurz. So hat sich das ergeben. Aber ich wäre nie in dieser Situation gewesen, hätte ich nicht das Praktikum bei dem Professor gemacht.“ 

Ein Plädoyer für eine sorgfältige Praktikumswahl – und das nicht zu unterschätzende Entscheidungsgewicht von Arbeitswegen. 

Facettenreich und spannend 

„Es gibt so viele Möglichkeiten – alle müssen für sich selbst schauen, wo sie sich sehen – ob im therapeutischen oder im künstlerischen, im ambulanten oder stationären Bereich, ob im Angestelltenverhältnis, freiberuflich oder selbstständig. Bei dieser Entscheidung hat mir das Praktikumssemester in der Ausbildungszeit sehr geholfen.“ 

Theresa Erben scheint sich richtig entschieden zu haben: „Ich fühle mich beruflich sehr erfüllt und bin sehr dankbar dafür, dass ich diesen Beruf für mich selbst entdeckt habe und jeden Tag gerne zur Arbeit gehe.“  

Die Arbeit mit so vielen verschiedenen Altersgruppen mache den Beruf so facettenreich und spannend – und sie sehr glücklich. Sie werde in ihrem Beruf täglich damit konfrontiert, wie wichtig Sprache, der verbale Austausch sei, und was es für die Betroffenen bedeute, sich nicht richtig oder im schlimmsten Fall auch gar nicht mehr ausdrücken zu können. „Es beglückt mich, diesen Menschen mit dem eigenen erlernten Wissen helfen zu können und die daraus resultierenden Therapieerfolge mitzuerleben.“ 

Die Macht der Willensstärke und Übungsdisziplin 

Sternstunden ihrer bisherigen Therapieerfolge waren ein schwer erkrankter Musiker mit düsterer Prognose und eine stotternde Frau, die sich eigentlich schon aufgegeben hatte.  

Der Musiker kam mit einer Stimmbandlähmung, von der sich kein Arzt erklären konnte, woher diese käme. Durch eine Untersuchung kam heraus, dass es sich um einen Tumor handele und die Aussichten schlecht standen. „Doch er hat sämtliche Stimmübungen so fleißig gemacht, dass wir nur noch staunen konnten, weil seine Stimme wieder richtig gut geworden war.“ Und das, obwohl der Tumor sich nicht aufgelöst haben konnte. Eine weitere Untersuchung ergab, dass die gesunde Stimmlippe die Funktion der anderen übernommen hatte – die gesunde Stimmlippe also so muskulär gewachsen sei, dass dadurch ein Stimmschluss möglich war. „Diese positive Energie, die er ausgestrahlt hat, dieser Ehrgeiz!“, habe sie sehr beeindruckt. 

Die stotternde Frau mittleren Alters sei ursprünglich wegen Heiserkeit gekommen. „Sie hatte sich selbst komplett aufgegeben. Ich habe dann mit ihr Übungen gegen das Stottern gemacht, ohne, dass sie etwas davon mitbekommen hat. Dann sollte sie mithilfe der erlernten Technik einen Text vorlesen und hatte plötzlich Tränen in den Augen, als sie den ganzen Text vorgelesen hatte, ohne einmal zu Stottern.“ Nach einiger Zeit erzählte sie Theresa, dass wenn jetzt das Telefon auf der Arbeit klingele, sie neuerdings immer gleich abhebe und auch auf Dienstversammlungen spreche. 

„Das sind für mich Herzenssituationen gewesen. Ich habe nicht viel gemacht, aber ich habe für die Menschen viel bewirken können.“ 

 

„Mit offenen Ohren, Augen, Armen und einem weiten Herzen“ 

 
Wenn sie 30 Sekunden Redezeit in der Tagesschau hätte, würde Theresa Erben den Zuschauenden nahelegen, niemals die Umsicht, Rücksicht und das Mitgefühl zu den Mitmenschen zu verlieren und sie so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte: „Mit offenen Ohren, Augen, Armen und einem weiten Herzen. Es fällt mir wirklich immer wieder auf – sei es auf arbeitsbedingt, draußen, in der Bahn oder beim Einkaufen –, dass diese Umsicht mittlerweile immer seltener zu finden ist.“ 

 

Vielleicht können wir uns alle diesen liebevollen Appell zur Achtsamkeit zu Herzen nehmen und ihn mehr und mehr leben. Dem britischen Sänger Frank Turner schien es ähnlich zu gehen, als er 2017 diesem Thema nicht nur einen wunderbaren Song, sondern auch gleich ein ganzes Album widmete: Be more kind.  

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